Still und starr liegt der See, leise rieselt der Schnee…. Im Winter hat der Bauer Ruh’ - dachte ich. Doch weit gefehlt! Bis in den November hinein haben wir in unseren Obstbäumen gewütet. Verwunschen und verwachsen sind sie seit Jahrzehnten, das konnte so nicht bleiben. Und die beste Schnittzeit ist eben bevor der Frost kommt. Also ran an die Astschere und den Hochentaster - das ist eine Kettensäge am Stiel - und schneiden, schneiden, schneiden. Ich hab mich gefühlt wie ein Friseur in einer dieser Vorher-Nachher-Shows, nur dass die Bäume hinterher wirklich besser aussahen.
Kaum hatten wir durchgepustet, kamen im Januar dann unsere ersten Wwoofer. Was für welche? Wwoofer - willing workers on organic farms. Das sind meist Reisende, die für Kost und Logis auf Bio-Höfen mitarbeiten wollen, um so etwas über ökologische Landwirtschaft lernen. Wir selbst haben auf unserer Weltreise gewwooft. Das war im wunderschönen Süden Chiles. Damals hatten wir das Glück, drei Wochen über Weihnachten und Neujahr in einer Gärtnerei bei Osorno zu arbeiten. Für uns ein erster Realitätscheck, ob wir so etwas auch zu Hause bewerkstelligen können würden.
Die Erfahrung in Osorno war in jeder Hinsicht prägend. Wir haben die drei Wochen Arbeit genossen, und vor allem auch die Gastfreundschaft, die zu einer richtigen Freundschaft wurde. Und als wir derart beschenkt wieder aufbrachen, war klar, wenn wir zu Hause unseren Hof gründen, wollen wir auch ein Wwoofing-Platz werden.

Gesagt, getan. Zurück zu Hause wurden wir nach einer intensiven Prüfung in den Kreis der Wwoof-Höfe aufgenommen - nicht jeder kann das werden, du musst Wissen zum ökologischen Landbau vermitteln können und auch genug Flächen zu bewirtschaften haben. Glück gehabt. Und dann im Januar kamen Joey und Liam, zwei Jungs aus Kalifornien, 19 und 21 Jahre alt und das erste Mal in der großen Welt unterwegs.
Unser Nachbar und Freund Wolfgang lachte uns aus: „Was wollt ihr denn mit denen machen? Rasen mit der Nagelschere schneiden?“ Tja, hätte auch passieren können. Planen kannst du in diesem Job nicht wirklich, wetterabhängig wie er ist. Doch wir hatten Glück, kein Dauerregen, kein Dauerfrost, hin und wieder Sonne - was wollten wir mehr? Und die beiden Jungs haben kräftig angepackt: Gräben ausgehoben, Beete angelegt und wir haben begonnen, 14.000 Schnittlauchpflanzen umzusetzen. An die Ränder unseres Gemüseackers und unter die Apfelbäume, damit keine Schädlinge auf die Bäume kriechen - biologische Untier-Bekämpfung sozusagen.
Als es ein paar Tage Frost gab und wir nicht weiter graben konnten, haben wir an unserem Bauwagen gearbeitet - ein weiteres Zukunftsprojekt. Darin sollen später unsere Wwoofer wohnen und vielleicht wollen wir ihn auch über die Internet-Platform „Airbnb“ vermieten.
Joey und Liam waren der perfekte Einstieg in unser Leben als Wwoof-Gastgeber. Die beiden waren wirklich freundlich, lustig, zugewandt und angenehm leicht. Die Kinder haben sich an unsere neuen Mitbewohner so sehr gewöhnt, dass sie noch Tage nach ihrer Abreise fragten, wo die beiden denn seien. Und wir, wir haben in unserer Gastgeber-Rolle nun die Kehrseite des Wwoofens kennen gelernt. Es ist nämlich gar nicht so einfach, jemanden wieder ziehen zu lassen, den du in dein Herz geschlossen hast. Wir hatten einen richtiggehenden Wwoofer-Blues.

Wie gut, dass nur kurze Zeit später Bichen (sprich Bi-tschen) zu uns stieß. Bichen ist eine chinesische Austauschstudentin, die für ein Jahr in Heidelberg studiert und auch ein bisschen deutsch kann. Mit ihr haben wir endlich unsere vielen verschiedenen Kräuter-Tees abgepackt, die Alex gleich nach unserer Ankunft gesammelt und getrocknet hat. Wir haben auch begonnen, unsere Flyer für unsere Abokisten zu verteilen. Außerdem waren wir natürlich im Schnittlauch. Inzwischen sind fast alle Pflanzen umgesetzt - vielen Dank an unsere Wwoofer!
Für die nächsten Wochen beten wir noch einmal um Frost, denn wir wollen Mist streuen und das geht nur, wenn der Boden hart gefroren ist oder wenigstens keinem Schlammfeld gleicht. Also bitte, lieber Wettergott, entweder einmal bitte ganz kalt oder eben eine längere Strecke kein Regen, damit der Trecker den Boden nicht zu sehr verfestigt. Ist das geschafft, steht das Pflügen an - unser Freund und Nachbar Wolfgang wird das für uns übernehmen, denn wir haben weder Trecker noch Pflug. Dann wird gefräst und gesät und gehackt und gehackt und gehackt und gehackt und gejätet, damit wir im Frühjahr unsere ersten Abokisten bestücken können, mit Salaten, und Radieschen, Kohlrabi, Lauchzwiebeln und Rhabarber - ach ja, und natürlich auch Schnittlauch.

Autorin: Petra Schild