Das Folientunnel-Projekt, der Wintereinbruch und ein Babyboom – unser Frühjahr 2017

"Es grünt so schön, wenn Spaniens Blüten blühen", singt es in "My fair Lady". Noch schöner wäre es, wenn auch bei uns die Blüten blühten. Doch nach einem milden März, ist der April ist ungewöhnlich kalt. Die Bäume lassen sich Zeit mit ihrer Blüte, zum Glück. Wir schlottern auf dem Feld und sind froh, dass wenigstens unsere Samstagsgäste für den Gemüseverkauf und dem Offenen Hof, die uns trotzdem treu bleiben, vor der herein brechenden Kälte in unsere warme Küche fliehen können.

Unser großes Projekt draußen ist in diesem Frühjahr der Aufbau unseres Folientunnels, den wir im letzten Jahr erworben haben. Eigentlich sollte der schon im Herbst stehen, damit wir die neue Saison früh starten können, aber die Herbst- und Winterstürme sowie die Kälte haben es unmöglich gemacht. Und jetzt verzögert sich auch wieder alles. Denn um die Folie aufs Gerüst zu ziehen, braucht es mindestens 10° C und Windstille. Alex wird von Tag zu Tag nervöser. Schließlich sind die Pflanzen schon bestellt und wenn die erst da sind, müssen sie schnell in die Erde.

Wir lenken uns ab mit Arbeit, die ohnehin ansteht: Zusammen mit unseren WWOOFern Vincent und Lea säen wir Radieschen, Petersilie und Erbsen, die Bäume werden beschnitten und Alex kann für ihren Kräutertee die ersten jungen Brombeerblätter sammeln. Und dann sind wir eingeladen, einen Stand auf dem legendären Pflanzenmarkt am Kiekeberg-Museum zu stellen. Ende April findet der jedes Jahr statt und ist ein wahrer Besuchermagnet. Wir sind dankbar für die Möglichkeit, uns einem großen Publikum vorzustellen. Was wir da verkauft haben? Na, unseren Apfelsaft natürlich, Kräutertee und jede Menge Schnittlauch!

 Auch Anfang Mai ist es noch immer entweder zu kalt oder zu windig, um den Folientunnel zu beziehen. Wir bereiten weiter unsere Außen-Saison vor: Unter anderem stellen wir Zäune auf, damit uns die Laufenten, die wir gegen die Schnecken einsetzen wollen, nicht wieder entweichen. Schon im letzten Jahr hatten wir diese possierlichen Tiere auf unserem Acker im Einsatz – bis ihnen ihre Freiheitsliebe zum Verhängnis wurde. Ein Autofahrer war rücksichtslos durch unsere Schnecken-Patrouille gebrettert, zwei der Enten waren sofort tot. Die Überlebende musste eine Woche auf neue Freunde warten.

Ach, ach, ach, das waren tragische Tage bei den Ackerperlen! Denn Laufenten sind Herdentiere und können nicht alleine gehalten werden. Eine Woche lang hat unsere Überlebende überall verzweifelt Anschluss gesucht: bei den Hühnern, die sie aber ignorieren, sie ist hinter unserem Auto hergelaufen, um dann festzustellen, dass sie und ein Auto keine Herde sind und sie stand sehr lange vor der Plastikente unseres Nachbarn und hat sich unterhalten – es war komisch und unendlich traurig zugleich, das zu beobachten. Alle sind glücklich, als wir endlich zwei neue Gefährten auf den Hof bringen: Einen Erpel diesmal und eine weitere Ente.

Wie gut die drei Enten-Damen, trotz ihrer Ausflüge ins Umland, im letzten Jahr gearbeitet haben, erkennen wir jetzt in diesem Frühjahr. Es sind – trotz des feuchten Wetters – nicht viele Nacktschnecken unterwegs. Die Enten haben nicht nur die erwachsenen Schnecken vertilgt, sie haben auch die Eier und die Nester der Schnecken ausgehoben – eine nützliche, eine sinnvolle Tierart! Um die fleißigen Helfer besser zu beschützen, beschließen wir, die Enten in diesem Jahr am Haus zu halten. Nur gelegentlich wollen wir sie zum Arbeitseinsatz aufs Feld treiben. Danach geht’s wieder zurück zum Haus, wo sie einen Graben zum Schwimmen haben und keine Autos sind, die sie einfach überfahren.

Das erste Mal auf diese Weise im Einsatz sind unsere drei Schneckenliebhaber dann am 2. Mai. Ach, es ist einfach zu lustig, wie wir sie mit Futter und einem Stöckchen die 500 Meter zu unserem Feld treiben. Es reicht meistens, mit der Futterdose zu klappern, schon laufen sie einem hinterher :) Unsere neue WWOOFerin Ivonne hat eine besondere Freude daran, zusammen mit den Laufenten die kleine Wegstrecke zu gehen.

Während sich die Enten um die Schnecken kümmern, bändigen wir - da es immer noch zu kalt ist - die lästigen Brombeeren, die, wenn man sie lässt, einfach alles überwuchern. Sie fliegen genauso raus, wie die Brennnesseln und das Gras, das überall durchkommt. Aus dem Schnittlauchfeld müssen die Löwenzähne entfernt werden und die Disteln – eine Arbeit, die uns wohl das ganze Jahr über begleiten wird, puh.

Wir legen auch ein kleines Testfeld mit alten Kartoffelsorten an. Die Rote Emmalie gibt es da und Blaue Fingerlinge, die dänische Eggeblomme und das Bamberger Hörnchen – alles besondere Sorten, die wir ausprobieren wollen, um zu sehen, wie sie auf unserer Erde wachsen. Auch säen wir rund ums Feld Insektenstreifen, um die fleißigen Bienchen zu erfreuen, die ich hoffe, noch in diesem Jahr bei den Ackerperlen heimisch zu machen :). Und wir legen Netze auf unsere Radieschen und die Rauke, um die böse weiße Fliege fernzuhalten – die einen will man, die anderen keinesfalls, gemein irgendwie, aber so ist das...

Dann, am 8. Mai - Alex zeigt schon leichte Anflüge von Panik - hat das Wetter endlich ein Einsehen und ist kurz einigermaßen stabil: So können wir es endlich wagen, das seit Wochen bereit stehende Gerüst des sehnlichst erwarteten Folientunnels zu beziehen. Neben dem Handwerker, den wir beauftragt haben und der die Projektleitung hat, braucht es vier tatkräftige Helfer, die auf Leitern stehend die Folien über das Gestänge ziehen und in Position halten. Um uns und unsere beiden aktuellen WWOOFer Vincent und Ivonne zu unterstützen, kommt auch unser Ex-WWOOFer Ole vorbei – wir sind wieder einmal dankbar für unser Leben, in dem uns so viel Unterstützung und selbstlose Hilfe begegnet!

Einen Tag  brauchen wir, um das sechs Meter breite und 24 Meter lange Gerüst zu beziehen. Folienstreifen für Folienstreifen legt sich über das Gestänge, wird hier gespannt und dort gezogen, erst geht es schnell, dann halten die Spannseile nicht, wir müssen noch einmal basteln, aber am Ende können wir die Ränder der Folien in der Erde fixieren und sind tatsächlich stolze Besitzerinnen eines funktionierenden Folientunnels :)

Dann geht es plötzlich mit Riesenschritten vorwärts. Eine hochsommerliche Hitzewelle peitscht die Natur und uns voran. Wir pflanzen Tomaten und Gurken in den neuen Folientunnel und außerdem Basilikum. Draußen kommen Fenchel, Salat und Lauchzwiebeln in die Erde. Bohnen, Erbsen, Zucchini und Kürbis sind ebenfalls gelegt bzw. gepflanzt und werden unsere Produktpalette beizeiten erweitern. Wir freuen uns, dass wir die Bewohner des Wohnprojekts "StadtLandFluss", das seit Jahren in Ochsenwerder entsteht und endlich bezugsfertig ist, als Abo-Kunden gewinnen, das gibt Planungssicherheit. Auf dem kleinen Feld direkt bei unserem Haus säen wir Blumen. Eine bunte Blumenwiese soll es werden: Ringelblumen, Sonnenblumen, Speisechrysanthemen – ein schöner Anblick für uns und auch für unsere Gäste im Bauwagen, der, seitdem wir ihn online gestellt haben, sehr gut angenommen wird.

Ja, es sieht alles wunderbar aus, der vorzeitige Sommer lässt uns den Rückstand auf dem Feld aufholen. Alles wächst und gedeiht – leider auch das Unkraut. Die Obstbäume halten sich nun auch nicht länger zurück und nicht nur in Spanien blühen die Blüten, sondern endlich auch bei uns. Und welche Massen! Es sieht aus, als hätten sich weiße Wolken auf die Äste gelegt.

Bei dieser Wachstumsexplosion wollen die Tiere nicht zurückstehen. Unsere Katze, seit Wochen schwanger, bekommt Ende Mai fünf süße Katzenkinder, grau und schwarz knäulen sie sich in der Wurfkiste und miauen leise. Kurz zuvor hat unser Brutkasten-Experiment mit Eiern unserer schwarzen Sachsenhühner geklappt und es steht im Flur eine Kiste mit sechs flaumigen Küken, die sich unter der Rotlichtlampe zusammen kuscheln. Es ist einfach zu süß. Überall wimmeln Kinder, menschliche und tierische.

Doch dies Paradies ist ein fragiles. Etwa zwei Wochen lang hält das Glück, dann setzen überraschend Nachtfröste ein. Die Natur hält den Atem an, alles verkriecht sich - wem das nicht möglich ist, erfriert - so, wie unsere diesjährige Obst- und Walnussernte. Die erfriert vor unseren Augen am Baum. Ach du jeh! Ein herber Rückschlag. Wir hoffen, dass dies die einzige Pleite bleibt und nicht der Grundton, der sich durch das kommende Jahr zieht. Mal sehen, wie es weiter geht.

Autorin: Petra Schild